Archiv 2014 – Schreibfederspezialitäten, Brause-Federn, Schreibpult, Handschrifterhalt u.a.

November/Dezember: Zeit der Einkehr, bei mir eher Zeit des Umbruchs. Private Umwälzungen haben zu völliger Stagnation auf dieser Seite geführt. Heute hole ich mal etwas auf. Da die Handschrift in Finnland gerade als abschaffungswertes Schulwissen (hier ein Feuilleton der FAZ dazu) diskutiert wird, habe ich mal diverse

Erst wenn die letzte Diode verglimmt…

Veröffentlichungen zum Thema gesucht. Die taz z.B. sieht die Handschrift vom Aussterben bedroht, weil alle Welt nur noch simst und mailt. Aber ist das schlimm? Geht es mit „Gehirnprothesen“ wie Tastatur und Rechner wirklich einfach nur schneller und besser, wie dieser Artikel auch die Meinung der Befürworter darstellt?

Für uns Kalligraphie-Liebende steht die Sache sicherlich fest, und ich habe es auch heute morgen an die taz geschrieben:

Oktober: Der goldene Monat, der die schönsten Farben und Früchte bringt… Einen Kürbis beschriftet man sehr einfach mit einem kräftigen Eddingmarker. Die Initialen wurden mit einem weißen Lackmarker punktiert. Der Kürbis ist etwa einen Meter groß.
Auch sehr lockend sind die großen Blätter vom wilden Wein, die in gelb-roten Farben schillern und zu einem Herbstgedicht einladen. Leider trocknen sie sehr schnell ein und verlieren dann viel von ihrer Pracht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ihnen das auszutreiben. In Giessharz einschliessen ist die schickste (und wohl teuerste) Methode.
Wachs konserviert so ein Blatt auch ganz gut. Einfach mit der Kerze gleichmässig auftropfen, ein Blatt Zeitungspapier auflegen und richtig heiß darüber bügeln.
Wenn die Blätter noch ganz frisch sind, also eher noch grün bei beginnender Färbung, kann man sie auch mit Glycerin haltbar machen. Man nehme eine Mischung aus einem Teil Glyzerin und 2 Teilen Wasser und stelle die Blattstängel hinein. Um möglichst viel Wasseraufnahme zu ermöglichen werden die Stängel schräg angeschnitten. Nach einigen Tagen sieht man das Glycerin in kleinen Tröpfchen auf der Oberfläche der Blätter austreten, dann sind die Zellen gesättigt.

September: Weihnachten kommt näher, unaufhaltsam! Also vielleicht schon mal mit den wichtigsten Worten vertraut

machen und zusehen, wie man Last-Christmas-pfeifend zu einem schönen Willkommensschild (Video) an der Haustür kommt. Wer das Ganze lieber auf chinesisch schreiben möchte, bekommt hier eine Basisanleitung für die Pinselkalligraphie.

August: Auf meinen Mittelaltermärkten werde ich oft gefragt, was der Unterschied zwischen Tusche und Tinte ist. Ich empfehle für die Kalligraphie eigentlich immer Tusche: lichtecht, wasserfest und unverwüstlich ist sie für schön geschriebene Worte die beste Wahl. Wer will schon, dass die Urkunde nach zwei Jahren am sonniger Wohnzimmerwand nicht mehr lesbar ist?
Tinte ist dünnflüssig und verstopft die feine Mechanik von Füllfederhaltern nicht (im Gegensatz zur Tusche), sie verbindet sich mit den Papierfasern und färbt diese, während sich Tusche durch Russ- und Leimpartikel sowie öligen Bestandteilen nur AUF den Beschreibstoff legt. Dies ist gerade bei faserigen Büttenpapieren wichtig.

Tinte hat dafür eine wunderschön transparente Leuchtkraft, die der Tusche abgeht. Ausserdem kann man mit ihrer Wasserlöslichkeit auch Effekte erzielen, die sonst nur in der Aquarellmalerei möglich sind.

Juli: Die Handschrift stirbt aus, und jeder merkt´s. Smartphone und Tablet ruinieren eines der ältesten Kulturgüter der

Handschrift des Mittelalters

Welt, und die Reaktionen der Politik sind hilflos. Man kommt lieber auf den Trichter, eine „vereinfachte Ausgangsschrift“ zu lehren, weil die feinmotorisch meist völlig unterbelichteten Kleinen zusammenhängende Buchstaben nicht hinbekommen. Eine „Allianz für die Handschrift“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, gegen diesen Trend zu arbeiten. Eigentlich sollten SchülerInnen am Ende der Grundschule eine „leserliche Handschrift“ vorweisen. Eine Wunschvorstellung, und Politik reagiert mit Niveauabsenkung. Pädagogik sollte anders aussehen.

Juni: Heute mal ein paar Tipps für die tägliche Arbeit. Schon mal geärgert über verklebte Tinte-oder Tuscheflaschen? Unter heißes Wasser halten hilft meistens. Sinnvoll ist außerdem natürlich, nach jedem Gebrauch den Glasrand gut zu reinigen. Ein Hauch Vaseline ins Gewinde beugt dem Verkleben vor.
Für Aquarellmalerei braucht man nasses Papier. Nach dem Trocknen wellt es sich oft sehr stark. Dies kann man vermeiden, in dem man das Blatt zuerst vollständig durchnässt, dann straff aufspannt (auf ein Brett zum Beispiel), und wieder trocken lässt. Das Papier wurde so gestreckt und wird sich nach dem nächsten Durchfeuchten nicht wellen.

Ziemlich coole Idee für einen Hintergrund: man gießt etwas Pustefix oder Spülmittel in eine flache Schale und fügt

einige Tropfen Farbe hinzu. Dann mit dem Strohhalm einen ordentlichen Berg Blasen auf die Schale blubbern.
Dann drückt man das Papier auf die Blasen, bis sie platzen. Zurück bleiben unregelmäßig sechseckige Umrisse in zarten Pastellton.

Mai: Eine kleine Spielerei für große Schriften: bindet man zwei Buntstifte (oder welche Stifte auch immer) fest aneinander, funktionieren sie wie eine sehr breite Bandzugfeder, die nur an den Außenkanten Farbe aufs Papier bringt. Hier mit einer grünen und einer blauen Spitze, die Mitte dann rot schraffiert. So bekommt man sehr einfach große Schriften hin, bei diesem Beispiel sind die Buchstaben 5 cm hoch. Den Abstand der beiden Linienschreiber kann man beliebig variieren, indem man (für kleinere Buchstaben) die zueinanderliegende Seite dünner schnitzt/abraspelt oder für größere mit Abstandhaltern zwischen den beiden Stiften arbeitet. Wenn es wirklich GROSS werden soll, kann man sich die Stifte in Abstand x auf ein Brettchen nageln. Die jeweilige Buchstabengröße errechnet sich aus Stifteabstand x fünf (bei der Fraktur, andere Schriften wie Unzialis laufen breiter).

April: In Iserlohn, hier im Sauerland bzw. dem angrenzenden Märkischen, gab es früher eine sehr maßgebliche Federproduktion. „Die beste Feder, lieber Sohn, ist die von Brause – Iserlohn“ hieß es damals, und der Spruch steht noch heute am alten Fabrikgebäude, das als technisches Kulturdenkmal eingetragen ist. Darum hatte ich mir von einer Sonderausstellung (siehe Märzeintrag) zu mittelalterlichen Scriptorien ein wenig mehr versprochen als einen einzigen Raum mit spärlichen Anschauungsobjekten. Einige Erläuterungen zu einzelnen Farbpigmenten, ein paar Werkzeuge, mehr gab es nicht. Im Ganzen lohnt der Weg (leider) nicht. Aber anhand eines abfotografierten Zitates fand ich dafür dieses Lexikon mit üppigeren Informationen, im Ganzen erreichbar unter www.mittelalter-lexikon.de

Sehr interessant auch dieser Artikel zu den vielen Schwindeleien mittelalterlicher Scriptorien, wo sich per Urkundenfälschung Ländereien, Pfründe und Reliquien einverleibt wurden. Die bekannteste dieser historischen Fälschungen war die „konstantinische Schenkung„, die die Machtposition des Papstes erheblich stärkte.

Februar: Immer wieder wird die Frage nach Schreibpulten gestellt. Wer die alten Darstellungen aus Klosterscriptorien

kennt, wundert sich über die extrem steilen Schreibwinkel der Pulte. Dies ist dem Schreibwerkzeug geschuldet, der Gänsefeder. Mit ihr schreibt es sich am besten, und der Schreibfluss ist gleichmässiger, wenn sie fast waagerecht übers Papier, bzw. das Pergament geführt wird.
Es gibt natürlich Zeichentische, die man stufenlos ein ihrer Neigung einstellen kann. Wenn man weniger Platz hat, tut es auch eine große Holz- oder Glasplatte, wo die Arme bequem drauf Platz haben. Darf also schon einen Meter breit sein. Eine Glasplatte hat den Vorteil, dass man von unten beleuchten und so mit vorgedrucktem Linierpapier arbeiten kann. Wer sich schon einmal beim Ausradieren von Hilfslinien eine Arbeit versaut hat, wird das zu schätzen wissen.
Zur Linken meine erste Leuchtkiste. Die Glasplatte wird passend eingesetzt und von unten mit Holzleisten gehalten. Das muß absolut bündig abschliessen und wird eingekittet (dabei kann man mit der Kittmenge gut die Bündigkeit einregeln). Unterhalb der Glasplatte kann man eine abnehmbare Leiste als Papierbremse anbringen.

Januar 2014: Eine der Fundsachen des Internets, eine Feder die ich wirklich gern einmal nutzen würde! Der Ferrari der Kalligrafin… oder vielleicht eher ein Rolls Royce. Ich hoffe ja ehrlich gesagt auf die kommende 3-D-Druckergeneration, die mir sowas alles schick ausdruckt 😉 Da steht uns wieder was ins globale Haus mit dieser Neuerung, die erste ausgedruckte und funktionierende Waffe gab es ja schon.