Material und Technik Teil 3: Schreibflüssigkeiten

Welche Eigenschaften von Flüssigkeiten machen sie schreibtauglich? Die gebräuchlichsten Tinten und Tuschen.

Teil 3: Schreibflüssigkeiten

Tinte geht immer, es ist eine wässerige Lösung mit Farbstoffen. Sie bleicht aber unter Lichteinfall aus. Tinte ist am besten für Füllfederhalter geeignet, deren feine Mechanik von Tusche oder anderen Farben verstopft.  Tinte, insbesondere minderwertige, franst auch gern aus auf faserigem Papier.

Tusche bekommt ihre Parbe durch Pigmente, die per Bindemittel in der Flüssigkeit gehalten werden. Mit der Zeit setzen sich die Pigmente ab, und man sollte Tuschegläser generell vor Gebrauch einmal kräftig aufschütteln. Sie ist lichtecht und nach der Trocknung bedingt wasserfest, hinterlässt ruinöse Flecken und ist für Anfänger im Kindesalter daher mit Vorsicht zu genießen 😉 Aber man schreibt wunderbar scharf damit auf beinahe jedem Untergrund. Sie zieht im Gegensatz zur Tinte nicht ins Papier ein, Fehler sind dadurch leichter zu korrigieren.

Die Wahl der Schreibflüssigkeit ist immer auch abhängig von der Art der Arbeit. Für einfache Entwürfe, Übungen, Spielereien wird man gewöhnliche Tinte verwenden, die in allen Farben erhältlich ist, sparsam, billig und von leuchtendem Aussehen, aber leider nicht lichtecht. Geschriebenes verblasst, unter direkter Sonneneinstrahlung mitunter sehr schnell.

Darum findet Tinte hauptsächlich Verwendung in Füllfederhaltern mit Breitzugfeder, wie sie als Kalligraphiezubehör seit langem erhältlich sind. Tinte verbindet sich fest mit dem Beschreibstoff und wird von der Faser eingesaugt, Korrekturen sind möglich mit den richtigen chemischen Substanzen, eine restlose Entfernung aber unter Umständen schwierig.

Nicht schön, aber sicher: Ein Tusche-Schwammhalter ist schnell gebastelt

Tusche wird hierzulande als fertige Flüssigkeit in verschiedenen Farben angeboten. Sie ist lichtecht und ziemlich wasserfest, und man sollte sie nie, niemals verschütten! Ein guter Tipp ist der Küchenschwamm, in den man sich ein passendes Loch für sein Tuschefass schneidet. So kann man den Super-GAU des Kalligraphen verhindern helfen.
Die chinesische Stangentusche wird auf einem Tuschestein mit ein paar Tropfen Wasser angerieben und sofort verbraucht. Sie besteht aus feinem Russ und Gummi, Fischleim u.a. Ingredienzen, je feiner die Zutaten, desto aufwändiger verziert ist die Tuschestange, bis hin zur Einlagerung einer echten Perle („Perlentusche“).
Lichtecht und absolut beständig, allerdings feuchtigkeitsempfindlich durch das enthaltene Gummi, entfaltet die Tusche ihre gesamten Möglichkeiten besonders beim Schreiben mit dem Pinsel. Tusche wird durch das enthaltene Gummi auf den Beschreibstoff „aufgeklebt“ und verbindet sich nicht dauerhaft mit dem Material.

Leuchtendes Aquarell Schriftbild

Aquarellfarbe (oder sogar einfache Wasserfarbe) ist zum Schreiben ebenfalls wunderbar geeignet. Aquarell ist meine Lieblingsfarbe, lichtecht und wunderbar leuchtend transparent. Man sollte sie zunächst nur dünn anrühren, mit der Übung merkt man sehr schnell, wie dick angerührt werden kann, damit die Farbe noch aus der Feder läuft. Besonders auf dem passenden Aquarellpapier erzielt man ausgezeichnete  Ergebnisse.

Eine beliebte Schreibflüssigkeit ist auch die Acrylfarbe. In knalligen Farben, gut deckend, wasserverdünnbar und schnelltrocknend, ist sie unkompliziert zu handhaben und wunderbar frei zu mischen.
Man kann sie auch in einer kleinen Farbpalette (z.B. Flaschendeckel auf eine kleine Schieferplatte geklebt) einfach dünnflüssig anrühren und Reste trocknen lassen. Wenn kein Staub drankommt, lässt sich die Farbe mit Wasser wieder anrühren.

Sepien nutzen ihren Farbstoff, um bei Flucht den Feind zu verwirren

Sepia ist ein Naturstoff, der als eigene Farbe gilt. Es ist die Blase vom Tintenfisch Sepia. Der Farbstoff ist von einem dunklem Graubraun und war schon im Altertum bekannt als Schreibflüssigkeit. Die Blase wird dem Tintenfisch entnommen und getrocknet. Danach lässt sich die Haut entfernen und der Farbstoff wird im Mörser zerstossen und mit Gummi arabicum (Mischung 3 Teile Sepia zu 1 Teil Gummi) und Quellwasser angerührt, zur Konservierung kann man noch ein paar Tropfen Nelkenöl zufügen.

Eisengallustinte gab es schon im frühen Byzanz (beschrieben von Philo von Byzanz im 3. Jhd. v. Chr.). Sie besteht aus Eisenvitriol, Gummi arabicum, Galläpfelabsud (Galläpfel sind durch die Gallwespe Cynips tinctoria verursachte Wucherungen auf Eichenblättern mit sehr hohem Gerbsäureanteil) und

An den Unterseiten von Eichenblättern zu finden: Galläpfel

Wasser bzw. Wein. Bei der Verbindung dieser Stoffe geht das zweiwertige Eisen des Vitriols nach und nach in dreiwertiges Eisen über. Die Eisenteilchen sinken auf den Boden des Tintenfasses und müssen immer mal wieder aufgerührt werde. Die nochmalige Oxydation der Tinte auf dem Papier lässt die zuerst wässerig-grau und blass erscheinende Flüssigkeit tiefschwarz werden. Eisengallustinte ist 100 % lichtecht, ein Schreibstoff für die Ewigkeit. Viele alte Dokumente haben allerdings das Problem des Tintenfrasses.

Tintenfraß ist ein gravierendes Problem in Bibliotheken und Archiven. Er führt zu einen Abbau des Schriftträgers Papier oder Pergament, auf dem Eisengallustinte verschrieben wurde. Tintenfraß entsteht zum einen durch die saure Hydrolyse der Cellulose, die eine Depolymerisation des Schriftträgers und damit einen Festigkeitsschwund bewirkt. Außerdem findet eine durch Eisen-Ionen katalysierte Oxidation der Cellulose statt, die ebenfalls zum Abbau des Papiers führt. Man beobachtet zunächst eine Fluoreszenz und Verbräunung, dann eine dunkelbraune Verfärbung auf der Schriftrückseite und im finalen Stadium dieses Prozesses den Verlust durch ausbrechende Papierteile. An der Uni Münster gibt es ein „Forum Bestandserhaltung“ dass sich eingehend mit der Problematik befasst.

Tinten bzw. Schreibflüssigkeiten lassen sich aus allen möglichen pigmentierten Flüssigkeiten gewinnen. Es interessiert eigentlich nur, dass sie dünnflüssig genug sind, um aus der Feder aufs Papier zu laufen. Kräftiger Kaffee oder lang gezogener schwarzer Assamtee, Rote-Beete-Saft, Rotwein, Zitronensaft, Tinte aus grünen Walnusschalen… ausprobieren macht Spaß! Ein Tröpfchen Parfüm dazu, und schon hat man die Liebesbrieftinte par excellence geschaffen. Ein Brief, den der Empfänger bzw. die Empfängerin nie vergisst!