Archiv 2012: Kartoffeldruck, Faksimile-Ausstellung, Zapf-Nachlass in der Herzog-August-Bibliothek, Ruling-Pen u.a.

Dezember: Der erste Schnee kommt pünktlich zum 1. Advent. Das darf jetzt gerne mehr geben! Den 2. und 3. Advent

bin ich wieder auf dem Wildwald-Weihnachtsmarkt.
Ich stehe wie immer in der Halle unterm großen Zelt, Eckplatz rechts. Ich überlege noch, den üblichen Kindertisch mit Federhalter und Gänsefedern zur Verfügung zu stellen. Oder doch mal Siegel und Siegellack anzubieten, aber das bedarf wohl mehr Anleitung. Andererseits hätten dann auch die Erwachsenen was davon. Beim Kinderschreibtisch stehen sie nur daneben, die Stühlchen sind einfach zu klein. Obwohl der eine oder andere Gnadenlose sich trotzdem schon mal hinsetzt…

Nun, ein paar Tage Zeit zum Überlegen bleibt noch. Jedenfalls wird es wieder Tinte und Tusche, Federhalter und Schreibsets, Siegel und Lack und Wachs dazu geben, die schönsten kalligrafischen Sprüche, Lesezeichen und was der Mensch noch so frisch geschrieben haben möchte.

Kalligraphie muss man beim Entstehen zusehen. Ich kann gar nicht zählen, wie oft jemand sagt „Das sieht ja aus wie gedruckt“. Die Leute glauben oft gar nicht, dass so etwas handgeschrieben ist, wenn sie nicht beim Schreiben zusehen können…

November: Eigentlich schon vorbei, die Zeit der bunten Blätter. Aber immer noch Zeit für Kartoffeldruck 😉
Ich hänge hinterher, aber es macht auch im November Spass, mit selbstgeschnitzten Kartoffelblättern, die man einfach mit Wasserfarbe bepinselt, hübsche Hintergründe zu gestalten. Wie man sieht, braucht es nicht viel Geschicke, um die Blätter mit dem Cutter in die halbierte Kartoffel einzuritzen, Kartoffeldruck erhebt nicht den Anspruch auf Vollkommenheit. Von den Seiten schneidet man mit einem Schälmesser etwa 2-3 mm unterhalb der Schnittfläche ein, um die eingeschnittene Form als Relief stehen zu lassen.

Kartoffeldruck ist ganzjährig für nette Motive geignet. Vierblättrige Kleeblätter, Herzen, Sterne sind einfache Formen, die effektvoll eingesetzt werden können. In Kindergärten wird auch gern mit Backformen gearbeitet, die man in die Kartoffel eindrückt. exakte Form, aber auch ziemlich langweilig.
Mit einem dünnen Filzstift oder einen wasserlöslichen Buntstift lassen sich Konturen vorzeichnen, das ist in jedem Fall individueller.

Oktober: Uups, schon vorbei… nun, er war so schön! Ich war mit meinem GRAL Verein in Menden im Kindergarten, und habe die Kurzen im Gebrauch des Federhalters instruiert. Kinder haben so viel Lust am schönen Schreiben, das ist wirklich auffallend. So eine klassische Textur als „Ritterschrift“ ist der Inbegriff des Besonderen. Und sie lernen auch noch so viel dabei. Feinmotorik, Konzentration, Kreativität… die Kalligraphie, die Kunst des schönen Schreibens, ist so sehr ins Hintertreffen geraten in der Schullandschaft. Das ist bedauerlich. Über den Offenen Ganztag könnte hier aber einiges getan werden.

September: Der Besuch in der Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek hat uns einen (leider viel zu kurzen) Blick in den dort archivierten Schriftennachlass Hermann Zapfs ermöglicht. Normalerweise kommt man da nicht so dran, man muss sich anmelden zur Einsicht und kann dann ein, zwei Tage später ansehen, was es in diesem Archiv so gibt. Das ist für externe Besucher natürlich etwas schwierig. Es ist mir unverständlich, dass eine Reproduktion dieser Schriftblätter zu viel Mühe machen soll und an Finanzierung scheitert. Das ist doch alles kein Problem mehr heute…

Joachim Propfe Wandkalligraphie

Aber nun, Spass gemacht hat es trotzdem. Wolfenbüttel ist durchaus besuchenswert, und der Besuch in Braunschweig bei Joachim Propfe war ein krönender Abschluss. Seine Wandkalligraphien im Diakonissenstift sind sehenswert und wunderschön. Den „Spruch der Woche“ habe ich aus den Fotos dieses Rundgangs rekrutiert.

August: Der kreative Einsatz der Glasfeder wird in diesem Video demonstriert. Ich habe Bauklötzchen gestaunt, wie vielseitig einsetzbar das Ding ist. Dabei hatte ich dieses Schreibgerät immer für todlangweilig gehalten, weil es im normalen Gebrauch einen immer gleichbleibend dicken Strich erzeugt. Aber auch das war eine Fehleinschätzung.
Die Glasfedern (auch venezianische Federn nach dem ersten

gekrümmte Glasfederspitze

Herstellungsort) waren eine teure Alternative zur Gänsefeder, aber setzten sich erst ab dem 17. Jahrhundert richtig durch. Die Nutzung der Glasfeder ist sehr einfach: bis ans Ende der Rillen eintauchen, überschüssige Tinte am Rand des Tintenbehälters abstreifen und los geht es. Mit einer Rillenführung kann man eine ganze Postkarte beschriften.

Auf einem Markt habe ich auch einmal einen Glasfederhersteller getroffen, der die Federspitze bei der Herstellung (also in heißem, flexiblen Zustand des Glases) am untersten Ende gekrümmt hat und so einen ähnlichen Effekt wie mit einer Bandzugfeder hin bekam.

Juli: Beim Waldspaziergang sollte man die Augen aufhalten nach interessanten Materialien zum Schreiben. Eine dicke Distel ist geeignet, Gräser als Bündel, Bucheckern.
Es öffnet den Weg vom Hirn zur Hand, mit ganz ungewohnten Schreibinstrumenten zu Werk zu gehen. Die Blütenstände vom Storchenschnabel geben ihm seinen Namen und sind als Büschel für interessante Schriftzüge zu gebrauchen. Was man nicht mit der Hand fassen kann, lässt sich mit einer Papierklemme handhaben, Gräser bündeln kann man auch mit Gummiband. Probieren ist das beste Studieren.

Juni: Eine Sammlung von Filmchen, meist über die Copperplate, von Joe Vitolo ins Netz gestellt, unter www.tinyurl.com/brmktwy. Am besten lernt es sich beim Zusehen, und das geht am allerbesten bei der Live-Beobachtung des Lehrpersonals in einem guten Kalligrafiekurs. Erstens kann man gleich mal nachfragen, und zweitens gleich ausprobieren, was man gesehen hat. Also, Kurse gibt es zuhauf, der nächste von mir selbst wird sich ums Illuminieren drehen: im Oktober, Dienstag 23.10. in der VHS Neheim.

Rulingpen aus dem Zirkelkasten

Mai: Der „Ruling-Pen“, auch Ziehfeder genannt, ist ein Instrument, dass man vielleicht aus dem Zirkelkasten kennt und von dem die meisten nie wußten, zu was es wohl taugt. Im Zusammenhang mit einem Zirkelkasten verstehe ich es bis heute noch nicht (man kann die Feder auch statt des Bleistiftkopfes an den Zirkel schrauben und seinen Kreis dann eben mit der Ziehfeder in Tusche ziehen, ok) aber als kalligrafisches Instrument ist die Ziehfeder wirklich spannend.
Es gibt den Ruling Pen in verschiedenen Variationen, rechts ist die heute übliche Variante abgebildet, die älteren Versionen haben meist einen karoförmigen Kopf, der viel breiter ist. Allen gemeinsam ist die Verschraubung des Schreibkopfes, die die beiden Teile zusammenhält und variiert werden kann. So lässt sich bestimmen, wie viel Tinte ausfliessen kann.
Der Ruling Pen ist ein Werkzeug für freie Arbeiten, für anarchisches Schriftbild und wilde Schwünge, also durchaus etwas für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen.

Hans Maierhofer: Kalligrafie

April: Es gibt unzählige Bücher über die Kalligraphie. Leider, muss man manchmal sagen. Was einem heute manchmal für ein liebloser literarischer Schrott angeboten wird, ist deprimierend. Und weil ich mich gerade so geärgert habe über das schlechteste Kalligraphiebuch, das ich je lesen mußte („Zeit für mein Hobby – Kalligraphie“ aus dem NGV-Verlag, ein schlampiges und liebloses Seitenfüllwerk) möchte ich an dieser Stelle einmal Empfehlungen aussprechen.
Dies OHNE die üblichen Amazon-Links, denn ich freue mich über jeden Buchladen und kaufe gern dort, auch wenn es vielleicht ein wenig umständlicher ist. Aber nur ein wenig. Und das ist mir eine lebendige Fussgängerzone allemal wert.
Ein wirklich gutes Kalligrafiebuch der letzten Jahre ist von Hans Maierhofer, „Kalligrafie“ ist im Gondrom Verlag unter ISBN3-8112-2614-2 erschienen und bietet zu einem sehr günstigen Preis eine reichliche Auswahl an Ausführungsbeispielen. Besonders gut gefällt mir der spielerische Ansatz, sich von den Buchstaben zu lösen und zunächst ganz der Form zu widmen. Als Anfänger wird man leicht entmutigt, wenn man sich sofort aufs Alphabet stürzt.

Ein gleichnamiges, inzwischen jahrzehntealtes Standardwerk von Ingrid Schade würde ich bis heute empfehlen, ebenso „Die schönsten kalligrafischen Alphabete“ von Julius de Goede. Recht gut gefällt mir auch ein neueres Buch von David Harris, „Die Kunst des Schreibens“, erschienen im Coventgarden-Verlag. Besonders die Ausführung der Alphabete in Aquarellfarbe ist eine sehr gelungene Darstellungsweise, die die Arbeitsreihenfolge gut veranschaulicht.

März: Liebe Freunde des handgeschriebenen Wortes, der Kalligraphie, der Illumination, der heiligen Schrift.
Es sei kundgetan, dass es eine außergewöhnliche Ausstellung geben wird.
Vom 06.03. bis zum 06.05.2012 werden in Arnsberg, im Kloster Wedinghausen, die schönsten Faksimiles der westlichen Welt ausgestellt sein.

Faksimile-Ausstellung in Iserlohn 2012
Faksimile-Ausstellung in Iserlohn 2012

Und man wird nicht nur eine Seite ansehen dürfen. Nein. Man wird blättern können in diesen Werken.
Man wird das Wunder dieser Bücher hautnah erleben können, blätternd und staunend über die höchste Kunst der Buchmalerei.

Vom Stundenbuch des Duc de Berry, der Bamberger Apokalypse, dem Darmstädter Pessach, den Heures du Turin-Milan, dem Stundenbuch der Isabella von Kastilien… bis hin zum Lorscher Evangeliar, dem einzigen Werk“hinter Glas“. Hier ist in Faksimiliarform versammelt, was die besten Scriptorien der westlichen Welt hervorgebracht haben.
Dese Ausstellung bietet einen Querschnitt aller kostbaren Bücher des Mittelalters. Faksimiles stellen eine originalgetreue Wiedergabe dar, bis hin zu den Löchern im Pergament. So eine Ausstellung gibt es nicht oft. Diese Bücher liegen normalerweise in Vitrinen begeisterter Sammler.
Führungen mit dem Sammler der Bücher, Siegfried Loob, am
Mittwoch, 14.03. um 16.00 Uhr, Donnerstag, 29.03. um 17.00 Uhr, Samstag, 14.04. um 14.00 Uhr, Samstag, 28.04. um 14.00 Uhr
Außerdem zwei Vorträge:
Mittwoch, 18.04 um 19.00 Uhr „Das Speyrer Evangeliar“
Mittwoch, 02.05. um 19.00 Uhr „Das Lorscher Evangeliar“
Das Rahmenprogramm besteht aber noch aus mehr Veranstaltungen.

Februar: Zwei Abende mit der Unzialis: am Dienstag 28.02. von 18 bis 21 Uhr und eine Woche später zur selben Zeit nochmal biete ich einen Kurs zur Unzialis an. Ort: VHS Neheim Werler Strasse 1, das Gesamtprogramm ist auch online einzusehen. Der Text im Programmheft ist widersprüchlich, da sich meistens nur eine kleine Gruppe zusammenfindet, könnte man aber wirklich auf Wunsch auch eine andere Schrift erlernen. Aber die Konzentration auf die Unzialis ist eigentliches Ziel des Kurses. Sie ist nicht so leicht, aber feierlich und festlich zu gestalten wie kaum eine andere Schrift.

Januar: In Dresden ist im Moment der Maya-Codex ausgestellt, eines von vier erhaltenen Manuskripten einer ausgelöschten Kultur. Angeblich sagt er den Weltuntergung für Dezember diesen Jahres voraus, aber das kann auch daran liegen, dass zu diesem Zeitpunkt ein Zeitzyklus abgeschlossen ist und die Maya um 1250 wahrscheinlich noch nicht daran dachten, ausgelöscht zu werden. Hier noch eine hochinteressante Arte-Doku zum Thema Entschlüsselung des Maya-Codes.