Material und Technik Teil 1: Füller und Feder

Was braucht der Schönschreiber zum schönen Schreiben? Hier werden die wichtigsten Werkzeuge vorgestellt.

Teil 1: Füller und Feder

Geschrieben werden kann mit fast allem, denn Kalligrafie heißt zunächst nur, Buchstaben oder Zeichen künstlerisch auszugestalten, und das kann ich auch mit den bloßen Fingern! Und wer schon mal einen vom Meer gefegten Sandstrand beschrieben hat, dem wird das DIN A4 Blatt als ärmliche Fläche erscheinen.
Reinhard Mey schrieb „auf ein Birkenblatt die Noten für ein Käfer-Requiem“, für manche Worte bedarf es eben besonderer Untergründe, oder besonderer Flüssigkeiten (siehe „Faust“), und die Entscheidung hierüber liegt allein in der Kreativität des Schreibers.
Wer lange Texte schreibt, wird merken, wie anstrengend das Leben als Mönch gewesen sein muss, der sich im Scriptorium tagaus, tagein, über seinen Pergamenten krümmte und Augen und Rücken ruinierte. Aber es gab damals auch weitaus schlimmere Berufe, z.B. Pergamente herstellen …

Was braucht man zum schönen Schreiben?

Sinnvoll ist in jedem Fall eine geneigte Schreibfläche; man kann aber auch eine einfache Platte mit Ausklappstützen versehen. Dadurch kann ich mit geradem Rücken vor meinem Schriftstück sitzen, was bei längerem Arbeiten Schmerzen erspart. Der Neigungswinkel ist Geschmackssache; mit heutigen Schreibinstrumenten kann man in jedem Winkel schreiben, der Gänsekiel allerdings erfordert einen wesentlich steileren Winkel. Letzlich schreibt es sich auch flach auf dem Tisch, aber die meist empfohlende Schräge der Schreibauflage wird mit 30-40° angegeben.

Der Federhalter mit Stahlfeder

Der einfachste und bis heute meist genutzte Schreiber ist der Federhalter mit eingesetzter Stahlfeder. In den allermeisten Haltern ist eine sogenannte Globusaufnahme eingebaut, wo man die Feder rundherum einstecken kann, immer auf zwei der vier Laschen passt die Krümmung der Feder. Man steckt die Feder so weit ein, dass sie nicht wackeln kann, etwa bis zur eingravierten Zahl, die die Federbreite angibt.

Die Stahlfedern gibt es in tausenderlei Formen, für unterschiedliche Bedarfe. Dem Anfänger empfehle ich eigentlich immer die Bandzugfedern, weil man keine besondere Technik beherrschen muss. Bei der Spitzfeder muss man unterschiedlichen Druck ausüben, um die Spitze zu spreizen und so den „Schwellzug“ zu erzeugen. In diesem Video ist das sehr gut dargestellt. Es gibt unterschiedlich elastische Spitzfedern, manche spreizen sehr weit und schon bei geringem Druck, andere sind härter. Verbiegen kann man sie nicht beim Schreiben, keine Sorge. Würde man derart fest drücken, dass der Stahl seine Form verändert, käme man nicht mehr weiter auf dem Papier.

Die Bandzugfeder ist einfacher zu handhaben. Ihre breite Spitze ist zwar ebenfalls geschlitzt und kann sich unter Druck etwas spreizen, dies dient aber nur dem Tintenfluss, nicht der Veränderung der Strichbreite. Man schreibt wie mit jedem normalen Füller, ohne die Hand zu drehen, einfach „durch“ (hier ein kurzes Video). Die Breite der Feder bestimmt dabei die maximale Strichbreite.

TIPP: Längeres Schreiben strengt durchaus an. Ein guter Trick ist es, beim Schreiben die Stützhand mit Kraft aufzudrücken, dadurch entlastet man automatisch die Schreibhand.

 Kalligraphie-Füller

Es gibt vielerlei Kalligraphiefüller, die allesamt den Vorteil haben, dass man unbegrenzt schreiben kann, weil sie ein Tintenreservoir in Form einer Patrone oder eines Tanks haben. Nachteilig ist dabei allein die Tinte: um die feine Mechanik des Füllers nicht zu verstopfen, geht eben auch nur die wässrige, unter Sonnenlicht verblassende Tinte als Schreibflüssigkeit. Mit dem Federhalter kann ich dagegen JEDE Schreibflüssigkeit verwenden, wenn sie nur dünn genug ist, aus der Feder zu fließen.

Pilot Parallel Pen in 1,5 mm Breite, der schmalste von vieren

Kalligraphiefüller gibt es in verschiedenen Breiten, für normalen Schriftverkehr wählt man eine nicht ganz so breite Feder (bis 2 mm). Ein ganz besonderer Füller ist der Pilot Parallel Pen, den es in vier Breiten gibt. Seine Schreibspitze besteht aus zwei parallel zueinander stehenden Platten, die es erlauben, den Stift auf die Kante zu stellen und dennoch weiter zu schreiben. Durch die Kapillarkraft wird Tinte nachgesogen, und ich kann feinste Ausläufer in die Schrift bringen, was mit keinem anderen Füller möglich ist. Diese Eigenart ermöglicht auch das Schreiben mit Tusche oder Aquarellfarbe: man taucht einfach die Füllerspitze in die Flüssigkeit, und hat so für zwei, drei Buchstaben genug eingesaugt. Auf diese Art kann man auch wunderbare Farbwechsel erzeugen.

Kalligraphie-Faserschreiber

Es gibt heute sehr gute Faserschreiber für die Kalligraphie. Schreibbreiten bis 5 mm erlauben ordentliche Schriftgrößen auch für voluminöse Bedarfe. Wesentliche Unterschiede bestehen in der Festigkeit der Faserspitze und der Schwärze und Farbfestigkeit der benutzten Schreibflüssigkeit.Im Bild rechts wurden drei Schreiber benutzt: der Edding 5 mm Breite für „Kunst“: schwarz, aber noch leicht durchschimmernd. Der Edding 2 mm für „gibt nicht…“ ist blaugrau, das geht gar nicht, allein der Lumocolor von Städtler („sondern macht sichtbar“) ist RICHTIG schwarz, lichtecht und wasserfest, das riecht man ihm allerdings auch an.

Manuscript Callicreative broad

Ich habe seit einiger Zeit den „Calli Creative“ Schreiber von Manuscript lieb gewonnen. Es gibt ihn in vier Breiten, er gibt ein sehr klares Schriftbild, kantenscharf und ordentlich schwarz ohne unangenehme Lösungsmittel. Für feine Schnörkel und Buchstabenserifen kann er auf Kante gestellt werden, wie hier auch schön zu sehen ist.

Für den ambitionierten Kalligraphen ist wohl die Stahlfeder im Federhalter weiterhin das erste Mittel der Wahl. Die Einsatzmöglichkeiten sind einfach am vielfältigsten, weil man jede Schreibflüssigkeit verwenden kann.